22. Mai 2023

(verpd) Ein Passagier, der sich bei einer Vollbremsung wegen einer unzureichenden Eigensicherung verletzt hat, kann sich mit Forderungen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gegenüber dem Betreiber der Buslinie nicht komplett auf den Fahrfehler des Busfahrers berufen. Das geht aus einem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (7 U 125/22) hervor.

Eine seinerzeit 82-jährige Frau erlitt während einer Fahrt mit einem Linienbus so schwere Verletzungen, dass sie zum Pflegefall wurde. Die Seniorin saß zunächst direkt an einem der Ausgänge.

Als der Bus als Linksabbieger an einer Ampel-Kreuzung halten musste, stand sie nach Betätigung der Haltewunschtaste auf, um an der Haltestelle hinter der Kreuzung auszusteigen. Dabei hielt sie sich mit einer Hand an einer Haltestange fest. In der anderen Hand hielt sie ihre Handtasche und ihren Regenschirm.

Beim Überqueren der Kreuzung übersah der Busfahrer eine bevorrechtigte Fußgängerin auf einem Zebrastreifen. Als er sie bemerkte, musste er notbremsen. Trotzdem brachte er die Frau zu Fall, diese blieb aber unverletzt.

Passagierin bekommt kein Schmerzensgeld und Schadenersatz

Deutlich schlimmer erging es der alten Dame im Bus. Sie konnte sich wegen der unerwarteten Vollbremsung nicht mehr festhalten und stürzte. Dabei erlitt sie diverse Knochenbrüche. Die führten in der Folgezeit dazu, dass sie zum Pflegefall wurde.

Mit ihrer gegen das Busunternehmen eingereichten Schadenersatz- und Schmerzensgeldklage hatte sie zunächst keinen Erfolg. Das Lübecker Landgericht wies die Klage zurück. Es argumentierte, dass sie sich bewusst und grundlos in Gefahr brachte, indem sie während der Fahrt vom Sitz aufstand. Zudem habe sie sich nur mit einer Hand an der Haltestange festgehalten.

Der Argumentation der Vorinstanz schloss sich das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zwar an, hielt die Forderungen der Klägerin trotz allem für teilweise berechtigt.

Gericht erkennt erhebliches Mitverschulden des Busfahrers

Es sei richtig, dass jeder Fahrgast eines öffentlichen Verkehrsmittels grundsätzlich selbst dafür verantwortlich sei, dass er bei der Fahrt nicht falle. Das gelte insbesondere im Stadtverkehr, in dem jederzeit mit plötzlichen Bremsmanövern zu rechnen sei.

Zur Eigensicherung gehöre, so lange sitzen zu bleiben, bis die Wunsch-Haltestelle erreicht ist. Stehende Fahrgäste im fortgeschrittenen Alter müssten sich außerdem mit beiden Händen an einer Haltestange festhalten. Gegen diese Regeln habe die Seniorin verstoßen.

Den Bußfahrer treffe trotz allem eine erhebliche Mitschuld an den Verletzungen. Die Passagierin sei nämlich nur deswegen gestürzt, weil der Fahrer beim Abbiegen die Fußgängerin übersehen habe und notbremsen musste. Da beide einen Fehler begangen hatten, bewertete das Oberlandesgericht das Mitverschulden von Frau und Fahrer mit einer Quote von 50 Prozent. Die Richter ließen kein Rechtsmittel gegen ihre Entscheidung zu.

Ohne Mitverschulden des Fahrers kein Schadenersatz

Fahrgäste, die ohne ein (Mit-)Verschulden des Fahrers zu Schaden kommen, können nicht mit einer Entschädigung rechnen. Das belegt ein Urteil des Amtsgerichts München aus dem Jahr 2007.

Wenn, wie im genannten Fall, ein anderer für mögliche Unfallfolgen nicht oder nur zum Teil haftet, ist es grundsätzlich gut, eine private Absicherung zu haben, um beispielsweise unfallbedingte Einkommenseinbußen, aber auch finanzielle (Mehr-)Aufwendungen abzudecken.

Einkommenseinbußen entstehen beispielsweise, wenn ein Berufstätiger aufgrund eines Unfalles längere Zeit krank ist oder sogar dauerhaft seinem Beruf oder einer sonstigen Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen kann.

Bei einer unfallbedingten Invalidität können für den Betroffenen zudem Umbaukosten anfallen, um sein zu Hause behindertengerecht zu gestallten. Wie im genannten Fall, kann ein schwerer Unfall auch zu einer Pflegebedürftigkeit und damit zu hohen Pflegekosten führen. Ein Versicherungsfachmann berät auf Wunsch, welche Versicherungspolicen solche und andere Unfallfolgen absichern.